"Ein skandalöser Schiedsrichter", "Wahrhaftig eine Schande", "Vier Tore wurden uns gestohlen". Die Italiener reagierten in der Stunde der Niederlage, dem frühesten Ausscheiden bei einer WM-Endrunde seit 16 Jahren, mit Verbitterung und viel Lamento. Und der Zorn einer ganzen Nation traf einzig und allein den ekuadorianischen Schiedsrichter Byron Moreno.
In der Tat war die Leistung des Südamerikaners unsäglich und benachteiligte die "Azzurri" in geradezu grotesker Art und Weise. Sogar Bruno Pizzul, der besonnene und für seine Objektivität bekannte Reporter vom staatlichen TV-Sender RAI, verkündete dem geschockten Volk zuhause vor den Bildschirmen: "Ehrlich, wir sind beraubt worden."
Ein ungerechtfertigter Platzverweis gegen Francesco Totti in der Verlängerung, dazu kurz darauf ein annulliertes jedoch korrektes Tor durch Damiano Tommasi: Das war und ist zu viel für die italienische Fussball-Seele.
Permanent benachteiligt
Besonders bitter ist für die Südeuropäer die Tatsache, dass Moreno mit seinen Fehlentscheiden nahtlos an die Leistungen der Schiedsrichter in den Partien Italiens gegen Kroatien und Mexiko anknüpfte. "Insgesamt sind uns hier vier reguläre Tore annulliert worden", sagte der gegen Südkorea verletzte Abwehrchef Alessandro Nesta hinterher. Verbittert fiel auch der Kommentar von Trainer Giovanni Trapattoni aus: "Die ganze Welt hat das Spiel gesehen und mitbekommen, was in bestimmten Situationen passiert ist. Wir haben viel zu beklagen."
Auch die höchsten Politiker beteiligten sich am kollektiven Lamento. Der Präsident des Senats, Marcello Pera, sagte: "Die Italiener fühlen sich betrogen. Ich bin verbittert. Im Sport sollte man sich nicht über Schiedsrichter beklagen, aber im Spiel gegen Südkorea haben wir wie in den Spielen zuvor viele fragwürdige Situationen erlebt."
Konnten die Italiener in der Vorrunde die Benachteiligung durch die Schiedsrichter auch dank der Mithilfe von Gruppengegner Ekuador noch kompensieren, war dies in den Achtelfinals nicht mehr möglich. Nach Ahns Tor in der 117. Minute war für das fussballverrückte Land alles aus und der Traum vom vierten WM-Titel frühzeitig geplatzt.
Allerdings hätten die Azzurri trotz allem auch gegen die Asiaten die Chancen gehabt, die Partie für sich zu entscheiden. Ein schwerer Fehler von Christian Panucci brachte den Südkoreanern in der 88. Minuten den Ausgleich -- zu einem Zeitpunkt, als in Italien schon die ersten Fiats hupend durch die Strassen fuhren. Kurz darauf hätte Vieri vier Meter vor dem leeren Tor das 2:1 ebenso schiessen müssen wie später Gennaro Gattuso, der in der Verlängerung allein vor dem gegnerischen Torhüter scheiterte.
Auch die Equipe mit Mängeln
Diese drei Aktionen zeigten auch, dass die Squadra Azzurra in Japan und Südkorea nicht so stark war wie es sich die vielen Tifosi erhofft hatten. Das Land, das vermeintlich ein unerschöpfliches Reservoir an herausragenden Verteidigern hat, konnte in der Defensive die Absenzen Nestas und des gesperrten Fabio Cannavaro nicht kompensieren. In der Offensive ergaben Aufwand und Ertrag im Gegensatz etwa zur EM vor zwei Jahren überhaupt keine ausgeglichene Bilanz. Gegen die zunehmend offene Deckung der Südkoreaner hätten die hochkarätigen italienischen Stürmer mehr als nur ein Tor schiessen müssen.
Zu solchen Analysen waren jedoch in den Stunden nach dem Debakel von Daejeon weder die Tifosi noch die Medien, die Spieler oder Trainer Trapattoni bereit. Das ganze Interesse galt dem Schiedsrichter. Mit für die Italiener untypisch wenig Worten fand die nationale Nachrichten-Agentur ANSA eine Erklärung für die desolate Vorstellung von Signore Moreno: "Einige Kilos zu viel, einige Dioptrien zu wenig." Dem ist nichts beizufügen.
(sda)