Grosses Interview mit Petkovic

«Jeder soll für den anderen atmen»

publiziert: Montag, 23. Mai 2016 / 12:51 Uhr
Vladimir Petkovic: «Die gegenseitige Akzeptanz ist von hoher Bedeutung.»
Vladimir Petkovic: «Die gegenseitige Akzeptanz ist von hoher Bedeutung.»

Knapp drei Wochen vor der grössten Herausforderung seiner Trainerlaufbahn spricht Vladimir Petkovic in Lugano über die Entwicklung im Schweizer Nationalteam.

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Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda äussert sich der 52-Jährige über Reizpunkte und Chancen der SFV-Auswahl. Er erwartet, dass seine Spieler in Frankreich dem Druck standhalten. «Die EM ist ein Spiegel für die eigene Qualität.»

Vladimir Petkovic, ist für Sie die im Inland weitverbreitete Skepsis gegenüber Ihrer Equipe nachvollziehbar? Die Fans befürchten offenbar, das Nationalteam könnte zur Unzeit in ein Formtief geraten sein.

«Wir müssen schon differenzieren. Im März (Niederlagen gegen Irland und Bosnien-Herzegowina) hatten wir tatsächlich einen Tiefpunkt zu verkraften - und zwar in verschiedener Hinsicht. Wir steckten in einer schwierigen Lage, weil einige Spieler ohne Selbstvertrauen eingerückt waren. Sie schleppten die Probleme aus ihrem Kluballtag mit sich herum, waren verunsichert oder verletzt. Wir bezahlten für unsere ungenügende Verfassung. Die schwierige Atmosphäre akzentuierte sich weiter, weil es Kommentatoren gab, die zu einer negativen Stimmung beitrugen. Man spürte, dass zu viel nicht passte.»

Die deutlichsten Worte des Missfallens kamen von Ihrer Seite. Sie warfen der Mannschaft vor, nur halbherzig aufgetreten zu sein. Captain Stephan Lichtsteiner zog tags darauf andere Schlüsse. Ein problematischer Widerspruch?

«Er beurteilte das Spiel auch von aussen (wurde geschont in Irland). Vielleicht wäre er kritischer gewesen, hätte er gespielt. Wissen Sie, ich hätte problemlos diverse Entschuldigungen vorbringen können. Aber darum ging es nicht, sondern viel eher um Reizpunkte. Die Kritik äusserte ich bewusst. Mein Blick ging schon in Dublin Richtung EM-Endrunde. Meines Erachtens wäre es ein Fehler gewesen, immer zuzuwarten und dann kurzfristig den richtigen Knopf zu suchen, um Änderungen zu erzwingen.»

Benötigt diese Mannschaft denn ab und an eine Warnung? Sind gewisse genügsame oder sogar minimalistische Züge erkennbar?

«Ich würde es anders formulieren: Ich coache eine Gruppe von Wettkampftypen. Sie benötigen grössere Reize.»

Das Nationalteam ist doch schon unter profanen Umständen einer gewissen Reizüberflutung ausgesetzt.

«Sagen wir es so: Die Einflüsse der Klubs werden wohl in Zukunft nicht geringer. Ich habe mir schon überlegt, ob es überhaupt noch sinnvoll ist, während der kommenden WM-Ausscheidungskampagne Testspiele gegen kleine oder mittelgrosse Namen zu organisieren. Vielleicht wäre es besser, nur noch vereinzelt, dafür aber gegen ein Schwergewicht anzutreten - mit dem Vorwissen, dass es ohne hundertprozentige Bereitschaft eine Abreibung absetzen wird.»

Apropos Einflüsse: Immer wieder flammt die Debatte um die Identifikation mit dem Nationalteam auf. Wie empfinden Sie dieses heikle Thema? Belasten die teilweise irritierenden Leser-Kommentare zur Secondo-Frage die Betroffenen mit Balkan-Hintergrund?

«Wir sind keine Steine, jeder empfindet anders. Die einen reagieren sensibler auf unterschwellige Vorwürfe. Aber ich denke schon, dass jeder Nationalspieler registriert, was verbreitet wird. Im Unterbewusstsein bleibt sicherlich etwas haften.»

Wie erklären Sie sich die teilweise problematische Haltung gegenüber Fussballern mit internationalen Wurzeln?

«Ich will diese Diskussion keineswegs ausdehnen. Aber gestatten Sie mir einen Hinweis: Mir fällt auf, dass es in anderen Sportarten kein Problem ist, die Hymne nicht zu singen...»

Aber eben: Die Farbe des Reisepasses wird manchmal höher gewichtet als die sportlichen Meriten.

«In unserer Equipe macht jeder alles für den Erfolg - jeder auf seine Weise. Der eine ist launisch, der andere reagiert verbissen auf negative Ergebnisse, gebärdet sich wie ein Kämpfer. Aber sie alle eint: Die Körperhaltung, die Mentalität, das sind die entscheidenden Pluspunkte - nicht der Pass der Eltern.»

Vor dem Duell gegen Albanien rücken aber genau diese Fragen wieder ins Zentrum. Wie gehen Sie mit dieser Konstellation um?

«Wir haben schon lange im Voraus mit der Erarbeitung der Kernthemen begonnen. In Gesprächen erörterten wir mögliche Konfliktfelder.»

Sie fahren die Strategie der Vernunft und Deeskalation?

«Ein bisschen Gelassenheit tut allen gut, zumal immer wieder versucht wird, Spielern wie Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri quotensteigernde Aussagen zu entlocken.»

Welche sportspezifische Strategie ist gegen Albanien empfehlenswert?

«Das Spiel wird so oder so schwierig - auch aus rein taktischen Überlegungen. Alles Übrige gilt es auszublenden. Wir müssen auch die Normalität zulassen. Es geht danach weiter. Den Fehler, die Energie vollumfänglich ins Startspiel zu investieren, sollten wir nicht begehen. Wie schon erwähnt: Es geht weiter. Rumänien ist knifflig, Frankreich strotzt vor Klasse.»

Gibt es einen Game-Plan?

«Alles muss sich um die Gruppe und das Team drehen. Der Spirit, die Solidarität untereinander werden die Differenz sein. Die gegenseitige Akzeptanz ist von hoher Bedeutung. Jeder soll registrieren: Die Schweiz ist wieder ohne Wenn und Aber eine geschlossene Einheit, jeder soll für den anderen atmen.»

Die Plattform EURO in Frankreich ist atemberaubend gross. Wird das Turnier die Entwicklung in Zukunft massgeblich beschleunigen? Ist die EM eine gewaltige Chance?

«Jeder soll die EM primär als Chance begreifen, als Möglichkeit, das Gelernte vor Experten zu zeigen, hohe Erwartungen zu erfüllen. Man erhält die Möglichkeit, vieles zu bestätigen, das immense Potenzial abzurufen. Es ist eine gute Möglichkeit, sich selber in ein optimales Licht zu rücken.»

Wo liegt die Schmerzgrenze?

«Das verjüngte Team kann eine Visitenkarte abgeben - oder sich wehren, oder die Urteile der letzten Zeit widerlegen, oder den Klub-Trainern zeigen, dass sie zu Unrecht nicht auf die Schweizer gesetzt haben. Die EM ist ein Spiegel für die eigene Qualität.»

Ist Ihre erste Endrunde entscheidend für die mittelfristige Zukunft der Nationalmannschaft?

«Klar wird der Event die Zukunft prägen, aber positive Schlagzeilen wären auch wichtig, um weiteres Kapital zur Stärkung der Junioren-Basis freizulegen.»

Sie kamen als Visionär (NZZ). Werden Sie Ihrem YB-Image doch noch gerecht und ziehen couragierte Änderungen in Betracht? Kommt sie doch noch, die Umstellung auf eine Dreierkette?

«Erlauben Sie mir eine Gegenfrage: Haben wir die Spieler dafür? Wer kann links so spielen? Der Einzige, der von einer Dreierabwehr profitieren könnte, ist Stephan Lichtsteiner. Diese Formation kommt für mich klassisch so nicht an erster Stelle. Nur falls es die Situation erfordert, wäre zum Beispiel ein 3-4-3 oder ein 3-5-2 denkbar.»

Um einen dürfte sich im nächsten Jahrzehnt mehr denn je drehen: um Granit Xhaka. Was verlangen Sie von ihm?

«Ich will sehen, dass Granit noch mehr fürs Team arbeitet. Er sollte für die Energiezufuhr zuständig sein. Ich wünsche mir, dass er primär seine eigene Qualität ausspielt und sich um nichts anderes kümmert. Xhaka soll seine positive Seite voll zur Entfaltung bringen.»

Xhaka ist in Mönchengladbach zum forschen Leader und Captain aufgestiegen. Er ist mit Selbstvertrauen vollgepumpt. Wie steht es um seine Mitspieler?

«Der mentale Zustand könnte generell besser sein. Deshalb ist es wichtig, dass jeder per sofort abschalten und Abstand nehmen kann von den energieraubenden Erinnerungen. Jeder, der hier im Camp einrückt, muss beseelt davon sein, etwas Neues aufzubauen und die Schwierigkeiten weit hinter sich zu lassen.»

Sie halten die Qualität des Teams ja für hoch genug, eine Überraschung zu schaffen.

«Die Ergebnisse aus der Wettbewerbs-Kampagne geben mir recht. Die Kompetition zählt. Unter Druck nicht die Nerven zu verlieren ist eine der Stärken meiner Mannschaft. Im richtigen Moment eine richtige Antwort zu haben ist eben auch ein wichtiges Merkmal.»

Trifft das alles auch auf Sie zu?

«Ich probiere immer das Beste. Zudem habe ich schon demonstriert, dass ich entwicklungsfähig bin. Das war bereits in Malcantone Agno so. Und logisch, am Ende bin ich von der Mathematik abhängig - wie jeder Trainer. Auch wenn ich weiss, dass im Fussball eins plus eins auch drei geben kann...» (schmunzelt)

(bg/Si)

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