Keine WM ohne Fernseh-Experten

publiziert: Freitag, 21. Mai 2010 / 00:45 Uhr

Ein Fussballspiel bietet viel Stoff zum Analysieren. Dafür werden Experten benötigt, in der Schweiz einige wenige, in anderen Ländern eine ganze Armada. In Frankreich machen sich die hochbezahlten Ex-Fussballer nicht nur Freunde.

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Beim Schweizer Fernsehen ist Alain Sutter der Chefexperte, wenn es um die Nationalmannschaft geht. Der ehemalige Internationale soll den Zuschauern eine andere Sichtweise präsentieren. Während die Moderatoren und Kommentatoren eher die Funktion von professionellen, redegewandten Fans einnehmen, kann der Experte die Gemütslage und Verfassung der Spieler eher beurteilen. Aus eigener Erfahrung weiss er, wie es sich anfühlt in ein prallgefülltes WM-Stadion einzumarschieren oder was ein Trainer sagen kann, wenn seine Mannschaft zur Pause 0:3 hinten liegt.

Sascha Ruefer, der die Spiele der Schweizer Nationalmannschaft kommentiert, teilte sich während der Europameisterschaft 2008 jeweils das Mikrofon mit einem Experten. Eine positive Erfahrung: «Ich hatte zunächst die Befürchtung, meine Rolle würde abgewertet. Doch das erwies sich als falsch. Es war eine Bereicherung, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der durch sein Wissen in ganz andere Sphären vordringen kann. Im Fussball gibt es nicht nur schwarz und weiss, sondern vieles bewegt sich in einer Grauzone. Man muss mit dem Experten nicht immer einer Meinung sein, Diskussionen sind möglich.»

Bei der WM wird Ruefer ohne Experten an seiner Seite auskommen. Sutter wird aus dem Studio im jeweiligen Stadion seine Einschätzungen abgeben, so wie dies Andy Egli und Gilbert Gress währen der Champions-League-Saison aus Zürich getan haben. Ein einfacher Job ist dies keineswegs. Nicht nur weil gutes Wissen Voraussetzung ist, sondern auch weil das Wesentliche in relativ knappen Worten gesagt werden muss. Damit macht man sich nicht nur Freunde: Auf Facebook gibt es eine Gruppe, die Sutter und Egli als schlechteste Fussballexperten der Welt betitelt.

50'000 für einen Zidane-Auftritt

Etwas mehr als 200 Mitglieder zählt die Gruppe, die Egli und Sutter nicht mehr sehen will. Da kann Christoph Dugarry nur müde lächeln. Der frühere französische Nationalstürmer, heute der Star-Experte von «Canal+», sah nach einem Ligue-1-Duell zwischen Marseille und Bordeaux eine von Marseille-Fans initiierte Anti-Dugarry-Gruppe auf Facebook innerhalb von wenigen Tagen auf 22'000 Mitglieder anwachsen. Der Pay-TV-Sender, der fast 10 Millionen Abonnenten zählt und jährlich 4,5 Milliarden Euro umsetzt, sah sich dann sogar zu einer Stellungnahme gezwungen.

In Frankreich sind die «Spécialistes» während der gesamten Saison omnipräsent. Dugarry, Bixente Lizarazu, Marcel Desailly, Emmanuel Petit, Zinédine Zidane, Guy Roux oder Arsène Wenger sind die bekanntesten unter ihnen, aber bei weitem nicht die einzigen. «Canal+» alleine beschäftigt über 20 Experten. Zidane bekommt für seine zehn garantierten Auftritte 500'000 Euro im Jahr; Dugarry und Lizarazu als Co-Kommentatoren jährlich 350'000 Euro.

Es ist durchaus ein einträgliches Geschäft, vorab für die Weltmeister von 1998, die in Frankreich immer noch einen sehr hohen Stellenwert geniessen, zumindest bei den Fans. Denn die aktuellen Internationalen haben an der Kritik der Ehemaligen keine Freude. Dugarrys Kommentar, er langweile sich während der Spiele der französischen Nationalmannschaft zu Tode, konterte der aktuelle Internationale Jérémy Toulalan entnervt mit «France 98 geht uns auf den Sack».

Mehr Ärgernis als Bereicherung

Toulalan wird sich allerdings auch während der WM mit der Kritik seiner Vorgänger auseinandersetzen müssen. Claude Makelele etwa, der sein letztes Spiel für Paris St-Germain erst vor einigen Tagen bestritten hat, wird in Südafrika genauso für einen der drei bei der WM im Einsatz stehenden französischen Sender vor der Kamera stehen wie Petit, Dugarry, Zidane und Lizarazu.

Nicht alle ehemaligen Fussballer sind aber wirklich gute Co-Kommentatoren. Dugarry und Lizarazu überzeugen durch ihr Wissen und ihren Humor, die meisten anderen sind eher ein Ärgernis als eine Bereicherung. Und deshalb werden in Frankreich auch immer mehr Stimmen laut, die die «guten alten Zeiten» zurückfordern, als man noch auf eine einzige Meinung hören musste. Ein Journalist wagte auf einer Internetseite bereits den Blick in eine allerdings unwahrscheinliche Zukunft: «Man stelle sich vor, Frankreich wird in Südafrika Weltmeister: Dann werden 2018 Franck Ribéry und Raymond Domenech die Spiele kommentieren...»

So sieht es in Deutschland und Italien aus

ARD, ZDF, RTL und Sky übertragen in Deutschland die WM-Spiele live. Die beiden öffentlich-rechtlichen Sender setzen auf Günter Netzer und Mehmet Scholl (ARD) sowie Oliver Kahn und den Schweizer Schiedsrichter-Chef Urs Meier (ZDF) als Experten. RTL schickt mit Jürgen Klopp und Jürgen Klinsmann zwei Trainer ins Rennen, während Sky Franz Beckenbauer, Jens Lehmann, Stefan Effenberg und Christoph Metzelder unter Vertrag genommen hat.

In Italien konnte die Rai, das staatliche Fernsehen, den früheren Nationalcoach und aktuellen Trainer Irlands, Giovanni Trapattoni als Experten gewinnen. Der smarte 71-Jährige ist jeweils in der Abendsendung «Notti mondiali» zu Gast. So populär «Trap» in Italien ist, er war nur zweite Wahl bei der Rai. Als Experten - vor allem an Tagen mit italienischen Spielen - wollte der Sender den früheren Roma-Stürmer Gabriel Batistuta verpflichten. Doch der Argentinier winkte aus finanziellen Gründen ab. Der arabische Sender Al Jazeera bietet ihm für die gleiche Aufgabe viel mehr Geld - man spricht von rund 400'000 Dollar.

Ein weiterer Experte mit hohen Sympathiewerten war ebenfalls zu teuer. Antonio Cassano, der von Marcello Lippi verschmähte Dribbler und Exzentriker des Calcio, wollte sich für 150'000 Euro nicht zur Experten-Runde gesellen. Die Organisatoren des Festivals in Sanremo hätten Cassano für seine Gast-Auftritte auf der Bühne der Gesangskünstler im Februar die gleiche Summe pro Abend bezahlt, so der Manager des Sampdoria-Professionals. So muss sich der Rai-Zuschuer mit den gleichen Experten begnügen wie im Serie-A-Alltag: Fulvio Collovati, dem Weltmeister von 1982, und Salvatore Bagni (Co-Kommentator bei den Spielen der Azzurri), dem einstige Wasserträger von Diego Maradona bei Napoli.

(bert/Si)

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bei den altern Römern wurden solche Grossanlässe unter dem Motto "Brot und Spiele" abgehalten um den Mob von den wirklichen Problemen des Lebens abzulenken.

Heute werden diese Spektakel zu Deutschland sucht den Superstar und der Fussball-WM um nur zwei zu nennen. Der Zweck jedoch ist derselbe...

Drum wer sich damit begnügt, unterhalten zu werden beklage sich nicht. Ansonsten
gibt es die tollen Institutionen wie Bibliotheken, da wird weder fremd kommentiert noch gibt es Werbepausen....
Infotainment
Fussball WM oder EM ohne das Duo Delling/Netzer sind doch fast undenkbar.
Das ist halt nicht nur "Experten"Gelaber sondern auch gute Unterhaltung.
Die "peinlichen" Situationen zwischen den beiden sind gewollt, das gehört halt auch zu deren Erfolgsgeheimnis.
SF wäre wohl froh, sie hätten so ein Duo. Gress/Egli sind wohl in Ordnung aber kein Vergleich dazu.
unnötige kostspielige Ergänzung
Die selbsternannten Experten verlieren sich oft in Nebensächlichkeiten und müssen immer wieder hervorheben, was sie vor 30 Jahren (Heinz Günthard) in ähnlichen Situationen mit dem Ball gemacht haben. Das Duo Egli - Gress dient mehr der Belustigung als der fachlichen Ergänzung des Geschehens. Zwischen Günter Netzer und dem Moderator wird es oft peinlich usw. usw. Auf die hätte, wenn, dann Kommentare kann ich persönlich sehr gut verzichten.
 
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