Liverpools CL-Triumph

publiziert: Mittwoch, 25. Mai 2005 / 23:13 Uhr / aktualisiert: Donnerstag, 26. Mai 2005 / 12:51 Uhr

Erstmals seit 21 Jahren hat Liverpool wieder den Gipfel des wichtigsten europäischen Klub-Wettbewerbs erreicht.

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Die Reds besiegten im Champions-League-Final Milan im Penaltyschiessen 3:2. Innerhalb von sechs epochalen Minuten hatten die Engländer in der zweiten Hälfte einen 0:3-Rückstand wettgemacht.

Sheva-Goal nennen sie ihn in Italien, doch im entscheidenden Moment des 50. Meistercup-Finals versagten beim üblicherweise so treffsicheren Ukrainer Andrej Schewtschenko die Nerven. Einen Abpraller drosch der Milanese aus knapp einem Meter in der 118. Minute an den polnischen Torhüter Jerzy Dudek - Carlo Ancelotti und der Fan-Gemeinde der Italiener stockte der Atem, die letzte Chance, das Penaltyschiessen zu umgehen, war vertan.

Minuten später, beim Stand von 2:3, spielte er den Ball Dudek vom Elfmeterpunkt aus kläglich in die fangbereiten Hände des Polen, der zwei Penaltys abwehrte.

Historisches Duell

Die Experten werden sich für einmal zweifelsfrei einig sein, nie zuvor seit Einführung der Champions League verlief ein Duell der Finalisten dramatischer und torrreicher als jenes zwischen den europäischen Giganten Milan und Liverpool.

Es war ein denkwürdiges Endspiel, ein Spiel der unglaublichen Schwankungen, ein Spiel der nach dem frühen 0:3-Handicap Liverpools nicht mehr für möglich gehaltenen Dramaturgie mit einem Ende, das an Spannung nicht mehr zu überbieten war.

Liverpool, von allen Zuschauern in und ausserhalb des Atatürk-Stadions abgeschrieben, faszinierte unmittelbar nach der Pause mit einer auf diesem Niveau wohl einmaligen Tor-Triplette. Innerhalb von sechs Minuten steigerten sich die Reds in einen wahren Spielrausch.

Steven Gerrard verkürzte per Kopf in der 54. Minute auf 1:3, der nach der Pause eingetretene Vladimir Smicer traf mit einem platzierten Weitschuss zum 2:3. Und noch ehe die Rossoneri sich vom Schock der Gegentreffer erholten, griff Gattuso im eigenen Strafraum an Gerrards Schulter. Es passte zur Turbulenz des Abends, dass Xabi Alonso den berechtigten Penalty erst im zweiten Anlauf an Dida vorbei zum 3:3 ins Tor wuchtete.

Sturzflug ohne Vorwarnung

Der unerhörte Sturzflug der Milanisti ereignete sich praktisch ohne Vorwarnung. Bis zum eher zufälligen Abschluss von Gerrard hatten die Liverpooler einen desolaten Eindruck hinterlassen. Nichts passte im Team von Rafa Benitez zusammen.

Verunsichert, ja geradezu naiv bot die Equipe aus der Premier League dem Serie-A-Vertreter, der vor wenigen Tagen seinerseits die italienische Meisterschaft auf läppische Weise verspielt hatte, den nötigen Raum zum Konter. Während der ersten Halbzeit existierten die Reds praktisch nicht, das Terrain wurde auf jedem Quadratzentimeter von Milan beherrscht.

"You´ll never walk alone", sangen die Fans der Reds aus vollen Kehlen vor dem Anpfiff. 50 Sekunden nach dem ersten Ballkontakt führte ausgerechnet der bald 37-jährige Verteidiger Paolo Maldini die Klubhymne der Engländer ad absurdum.

Er spazierte zwar nicht durch die Reihen der Liverpooler, aber der Captain setzte einen Freistossball Pirlos volley ins Netz, ohne dass ihn ein Engländer auch nur im Ansatz behindert hätte. Mit seinem erst dritten Tor im 149. Europacup-Spiel durchkreuzte der unverwüstlichste aller Serie-A-Verteidiger alle Pläne der Engländer schon in der 1. Minute.

Auswechslung nach Desaster

Der Abwehrverband um den Finnen Sami Hyypiä drohte phasenweise zu kollabieren und beanspruchte das Glück, dass der spanische Referee Mejuto Gonzalez einen Treffer von Andrej Schewtschenko wegen einer umstrittenen Offside-Position annullierte und Luis Garcia eine weitere Chance auf der Linie vereitelte.

Es war eine Frage der Zeit, bis Milan die Differenz vergrössern würde, respektive eine Frage der "Four-Minute-Show" von Hernan Crespo. Nach 39 Minuten bugsierte er eine smarte Vorlage Schewtschenkos über die Linie, ehe der "Gaucho" einen Konter aus dem Lehrfilm über drei Stationen perfekt zum 3:0 abschloss.

Den ersten Winkelzug, um das desaströse Bild wenigstens zu schönen, vollzog Liverpools Coach Benitez. Der Spanier ersetzte den überforderten Steve Finnan, stellte auf eine Deierabwehr um und beorderte den Deutschen Didi Hamann vor die Defensivlinie.

Damit verschaffte Benitez seiner Leitfigur Gerrard den Freiraum zu den dringend benötigten und während der ersten 45 Minuten so sehr vermissten Offensivorstössen des Captains. Zur Erinnerung: Gerrards Rush bildete den Ausgangspunkt der imposanten Rückkehr der Merseysider.

Milan - Liverpool 3:3 (3:0, 0:0), 2:3 n.P.
Atatürk-Olympiastadion, Istanbul. -- 69 500 Zuschauer (ausverkauft). -- SR Mejuto Gonzalez (Sp). -- Tore: 1. (0:50) Maldini 1:0. 39. Crespo 2:0. 43. Crespo 3:0. 54. Gerrard 3:1. 56. Smicer 3:2. 60. Xabi Alonso (Foulpenalty) 3:3. -- Penaltyschiessen: Serginho verschiesst, Hamann 0:1; Pirlo scheitert, Cissé 0:2; Tomasson 1:2, Riise scheitert; Kakà 2:2, Smicer 2:3; Schewtschenko scheitert.

Milan: Dida; Cafù, Nesta, Stam, Maldini; Gattuso (112. Rui Costa), Pirlo, Seedorf (86. Serginho); Kakà; Schewtschenko, Crespo (86. Tomasson).

Liverpool: Dudek; Finnan (46. Hamann), Carragher, Hyypiä, Traoré; Luis Garcia, Xabi Alonso, Gerrard, Riise; Kewell (23. Smicer); Baros (85. Cissé).

Bemerkungen: Milan ohne Ambrosini, Liverpool ohne Ersatztorhüter Kirkland (beide verletzt) sowie Morientes (nicht spielberechtigt). Rund 1000 Sicherheitsleute im und ums Stadion. 29. Tor von Schewtschenko wegen Offsides annulliert. 60. Dida hält Foulpenalty von Xabi Alonso, der im Nachschuss zum 3:3 trifft. Verwarnungen: 76. Carragher, 81. Baros (beide Foul).

(bert/Si)

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