Von der herbstlichen Sinnkrise ist nichts mehr zu spüren, «die Seele brennt wieder» - ganz so, wie das in den Zeilen der Klubhymne vorgesehen ist. Die Borussen-Brust ist wieder breit wie am Ende der überragenden letzten Saison. «Jeder weitere Sieg gibt noch mehr Selbstvertrauen», fasst Granit Xhaka zusammen, den sie nicht nur wegen seiner charismatischen Art so sehr mögen am Niederrhein. «Wir spielen riskanten und richtig guten Fussball.»
Das Comeback der "Fohlen"-Elf ist in der Tat imponierend. André Schuberts Bilanz raubt den Beobachtern den Atem. Der Nachfolger von Lucien Favre hat ein zu Beginn der Saison nahezu lahmgelegtes Team reanimiert. Nur eine seiner bisher 13 Partien hat der ehemalige U23-Trainer verloren, in neun Fällen hat er das kaum mehr zu stoppende Team zu spektakulären Siegen geführt. Er hat den Favre-Code quasi dechiffriert - vom Tabellen-Ende zurück in die blühende Zukunft.
Vier Schweizer auf dem Platz
Gegen Sevilla stürmte Mönchengladbach über 37 Jahre nach dem letzten Triumph im Meistercup (2:1 gegen Liverpool im Halbfinal-Hinspiel) zur Erfolgspremiere in der Champions League. Beim ersten Sieg gegen eine spanische Equipe seit dem legendären 5:1 gegen Real Madrid vor drei Dekaden im Düsseldorfer Graupelschauer standen in der Schlussphase mit Keeper Yann Sommer, Captain und Vorarbeiter Xhaka, Joker Josip Drmic und Champions-League-Debütant Nico Elvedi gleich vier Schweizer auf dem Rasen - ein Novum in einer ausländischen Top-Equipe.
Gladbachs Manager Max Eberl lobte die Schweizer Fraktion im Gespräch mit der Sportinformation in höchsten Tönen. «Yann hielt uns mit seinen Paraden im Spiel. Granit ist nicht nur ein herausragender Fussballer, sondern auch ein absoluter Führungsspieler - einer, der aggressiv vorangeht.» Und Drmic, der seit seinem Transfer von Leverkusen nicht auf Touren gekommen ist, hob Eberl explizit hervor: «Er wusste sofort, was er zu tun hatte.»
Drmic überzeugt
Das Verletzungspech von Ibrahima Traoré war das Glück von Drmic. Womöglich ist ihm mehr als eine temporäre Rückkehr gelungen. Nach 13 Minuten trat er ein und signalisierte jedem der 45'177 Anhänger, dass ihn niemand zu früh abschreiben sollte. Er blickt zwar auf schwierige Wochen und mehrheitlich frustrierende Teilzeit-Einsätze zurück, aber kapitulieren mochte er nicht.
Und dass ein Leihgeschäft des 10-Millionen-Stürmers nicht zur Debatte steht, haben die Borussia-Entscheidungsträger erst kürzlich noch einmal klargestellt. In der einseitigen Begegnung mit Sevilla demonstrierte Drmic Qualitäten, die ihm zuletzt einige Beobachter abgesprochen hatten: pures Engagement, Durchsetzungsvermögen, Übersicht, teamorientiertes Arbeiten.
Auf dem Weg zum kursweisenden 1:0 spielte der von Trainer Schubert im rechten Couloir überraschend Thorgan Hazard vorgezogene Nationalspieler eine magistrale Rolle. Mit einer cleveren Seitenverlagerung leitete er jene Kombination über Granit Xhaka ein, die Lars Stindl mit dem 1:0 perfekt abschloss.
Kein Fehleinkauf
Am geschichtsträchtigen und hochklassigen Unterhaltungsprogramm war Drmic wesentlich mitbeteiligt. Dass ihm Schubert unverhofft die Chance einräumte, das eigene Standing aufzupolieren, wusste Drmic zu schätzen. «In einer solchen Situation ist man über jede Minute froh, die man geschenkt bekommt. Jedes positive Erlebnis tut gut.»
Die frühe Einwechslung wertet der von einigen Kritikern als «Fehleinkauf» apostrophierte Offensivspieler als «Signal und gutes Zeichen des Trainers. Wir führten einige Gespräche zuletzt. Das gibt mir ein gutes Gefühl», so Drmic. Er denkt an das Selbstvertrauen und die Minuten, «die ich in den Beinen haben muss».
Sommers Voting für Drmic
Zuspruch erhält der Stürmer von seinem Landsmann Sommer. «Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Schubert ihn früh eingesetzt hat. Er war sofort anwesend und probierte viel.» Der Keeper hält viel vom Hoffnungsträger am anderen Ende des Spielfelds. «Ich sagte immer, an ihm werden wir noch viel Freude haben. Er wird zurückkommen.»
Drmic kommt das reich befrachtete Programm entgegen. Eine Fortsetzung der europäischen Kampagne wäre vollumfänglich in seinem Sinne. Sollten sie am Niederrhein am 8. Dezember (gegen Manchester City) auf Kosten von Titelhalter Sevilla in die Knock-out-Phase der Europa League vorstossen, wird Schubert das Rotationsprinzip intensivieren.
(bg/Si)