Spannung vor Brasiliens erstem Auftritt
Brasilien, neben Spanien meistgenannter Anwärter auf den WM-Titel, tritt heute Dienstag ein erstes Mal an. Im Abendspiel ab 20.30 Uhr gegen Nordkorea wird ein deutlicher Sieg erwartet.
Carlos Dunga heisst der Mann, der den Rekordweltmeister aus Brasilien zum sechsten Titel führen soll. Unter ihm hat sich das Team vom Fussball-Zirkus verabschiedet. Disziplin ist dem früheren Profi des VfB Stuttgart und Captain der Weltmeister-Mannschaft von 1994 besonders wichtig. 2006 verabschiedete sich die damaliga Samba-Truppe sang- und klanglos im WM-Viertelfinal, doch unter Dunga folgte 2007 der Gewinn der Copa America und letztes Jahr der Sieg im Confederations Cup.
Prunkstück ist inzwischen die Abwehr mit Torhüter Julio Cesar oder Captain Lucio. Von den Offensivspielern besitzt nurmehr Kaka einen Namen, den weltweit jedes fussballbegeisterte Kind kennt. Von ihm, bei Real Madrid in diesem Jahr fast mehr in den Arztpraxen als auf dem Rasen präsent, hängt viel ab. Mit über 29 Jahren im Durchschnitt stellt Brasilien das älteste Team seiner WM-Geschichte. Die Ausgangslage ist aber dieselbe wie immer, wie Kaka mit seiner Aussage unterstreicht: «Am Ende wollen wir den Cup hochhalten.»
Probleme gegen defensive Gegner
Erster Gegner ist heute Dienstagabend im Ellis Park von Johannesburg Nordkorea, die grosse Unbekannte des Turniers. Erwartet werden kampfstarke Asiaten mit einer destruktiven Taktik, die in der Abwehr noch mehr Beton anrühren, als sich dies die brasilianischen Cracks Lucio oder Maicon bei Inter Mailand gewohnt sind. Mit ultra-defensiv ausgerichteten Mannschaften hatte Brasilien auch in den Heimspielen ihrer WM-Qualifikation zu kämpfen. Dabei zogen sie sich nicht immer gut aus der Affäre. Zuhause resultierte sowohl gegen Bolivien, Kolumbien als auch gegen Venezuela (und auch Argentinien) ein 0:0. Zuletzt allerdings fertigte Brasilien die asiatischen Teams an WM-Endrunden ohne Probleme ab. 2002 gab es ein 4:0 gegen China, 2006 ein 4:1 gegen Japan. Ein WM-Startspiel verlor Brasilien zudem letztmals vor 76 Jahren.
Nordkorea würde nur zu gerne ähnlich für Aufsehen sorgen wie 1966 beim bisher einzigen Auftritt an einer WM. Damals schlugen sie die Italiener sensationell mit 1:0 und schafften den Vorstoss in die Viertelfinals. Mehr als vier Monate haben sich die Nordkoreaner auf ihren Auftritt in Südafrika vorbereitet. Ihr grosses Plus umschreibt Sven-Göran Eriksson, Coach von Gruppengegner Elfenbeinküste, so: «Müde werden sie nie, auch in der zweiten Halbzeit rennen sie noch so wie zu Beginn.» Seydou Doumbia Ersatz für Drogba
Vorentscheidenden Charakter dürfte wohl das zweite Spiel der Gruppe G haben, das in Port Elizabeth über die Bühne geht. Die Elfenbeinküste trifft auf Portugal, wer verliert, dem droht das Out. Mit Cristiano Ronaldo betritt der teuerste Fussballer der Welt die WM-Bühne, ob allerdings auch Afrikas grösster Star einlaufen wird, ist sehr fraglich. Didier Drogba will nach seinem kurz vor der WM erlittenen Ellbogenbruch mit einer Spezialschiene spielen, doch wahrscheinlicher scheint, dass Seydou Doumbia nach seiner starken Saison bei den Young Boys anstelle des Star-Spielers von Chelsea stürmt.
«Wir werden erst im letzten Moment entscheiden, ob Drogba gegen Portugal spielen wird», erklärt Trainer Eriksson. Mit Drogba würden gewiss die Chancen steigen, dass der Coach der Elfenbeinküste sein persönliches Portugal-Trauma beenden kann. Als Trainer der englischen Nationalmannschaft scheiterte Eriksson sowohl bei der EM 2004 als auch an der WM 2006 im Penaltyschiessen an den Portugiesen.
Die Elfenbeinküste wird allgemein als stärkste der sechs afrikanischen Mannschaften eingeschätzt, auch ohne Drogba. Aber wie schon vor vier Jahren wurden die «Elefanten» nicht vom Losglück begünstigt. 2006 bei ihrer ersten WM-Teilnahme scheiterten sie nach knappen Niederlagen gegen Argentinien und Holland, diesmal müssen sie sich in der Gruppe mit Brasilien und Portugal versuchen.
Die Portugiesen waren 2004 EM-Finalist und 2006 WM-Vierter, zu einem Titel hat es allerdings noch nie gereicht. In der WM-Qualifikation reichte es nur zu Platz 2 hinter Dänemark, erst in der Barrage gegen Bosnien-Herzegowina sicherte sich Portugal das WM-Ticket. Gefordert ist vor allem Cristiano Ronaldo: In der Nationalmannschaft ist der 95 Millionen Euro teure Mann seit 16 Monaten ohne Tor.
Slowakei braucht Pflichtsieg
In Rustenburg visiert die Slowakei, die erstmals als eigenständiges Land an einer WM vertreten ist, einen Pflichtsieg an. Gegen Aussenseiter Neuseeland müssen drei Punkte her, nur so bleiben in der Gruppe F mit Italien und Paraguay die Chancen auf eine Achtelfinal-Qualifikation realistisch. Die gute Meldung für die Slowaken war, dass Abwehrspieler Martin Skrtel vom FC Liverpool seine Knöchelverletzung überwunden hat und spielen kann.
Die Rugby-Nation Neuseeland blieb 1982 bei seiner bisher einzigen WM-Teilnahme ohne Punkt. Damals setzte es Niederlagen ab gegen Schottland (2:5), die Sowjetunion (0:3) und Brasilien (0:4). Der aktuelle Trainer, Ricki Herbert sass damals als 21-jähriger Verteidiger stets auf der Bank, was er als grösste Enttäuschung seiner Karriere bezeichnet. «Wir sind die Underdogs, aber Angst haben wir vor niemandem», sagt Herbert heute. In den Testspielen vor der WM überraschte Neuseeland jedenfalls mit einem Sieg gegen Serbien.
Auch bei den Slowaken war der Trainer bereits einmal WM-Teilnehmer. 1990 stand Vladimir Weiss im Team der Tschechoslowakei, die es bis in die Viertelfinals brachte. Auch im aktuellen slowakischen Team spielt ein Vladimir Weiss mit: Der bei Manchester City im Kader stehende Sohn des Trainers.
(fkl/Si)
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