Die Erfolgs-Story des südamerikanischen Fussballs ging letztes
Jahr gänzlich unbemerkt an Europa vorbei. Hier beanspruchte die
Europameisterschaft in Belgien und Holland die ganze Konzentration
und Aufmerksamkeit. Und wenn später davon noch etwas übrig
geblieben wäre, dann wurde es im Herbst von der Champions League
aufgesogen.
Eben diese hochgelobte Champions League musste letztes Jahr
jedoch zwei harte Schläge einstecken. Bereits im Januar erfolgte
der erste Tiefschlag: Bei der erstmals durchgeführten Klub-
Weltmeisterschaft belegten drei Teams aus Süd- oder Mittelamerika
die Podestplätze. Die beiden brasilianischen Teams Corinthians und
Vasco da Gama bestritten den Final, Nexaca landete auf Platz 3,
nachdem die Mexikaner den späteren Champions-League-Sieger Real
Madrid im kleinen Final bezwungen hatten.
Gar bereits in den Gruppenspielen ausgeschieden war der damals
amtierende Champions-League-Gewinner Manchester United. Die
favorisierten Engländer hatten nach ihrem Erfolgsjahr 1999 mit vier
Titelgewinnen keine Kraft mehr besessen, auch noch Jagd auf den WM-
Titel für Vereine zu machen.
Im Herbst erwischte es dann Real Madrid gleich nochmals und
gänzlich unerwartet: Die Königlichen unterlagen im
Intercontinentalcup in Tokio den Boca Juniors aus Argentinien mit
1:2. Und dabei hatten mit Ajax Amsterdam, Juventus Turin, Borussia
Dortmund, Real Madrid und Manchester United zuvor europäische Teams
gleich fünfmal in Serie die Auseinandersetzung zwischen den besten
Klubs aus Europa und Südamerika gewonnen.
Diese Schlappen wiegen umso schwerer, als seit Jahren die besten
Spieler aus Südamerika nach Europa geholt und südamerikanische
Vereine dadurch immer stärker ausgeblutet wurden. Die
Stärkeverhältnisse schienen sich deutlicher als je zuvor zu Gunsten
Europas verschoben zu haben. So, wie es durch die Nationalteams
anlässlich der WM 1998 dokumentiert wurde. Nur zwei Teams aus
Südamerika standen damals in Frankreich in den Viertelfinals,
lediglich Titelverteidiger Brasilien figurierte schliesslich in den
Halbfinals und kassierte im Final gegen den unwiderstehlichen
Gastgeber eine brutale 0:3-Abfuhr.
Brasilien hat sich dieses Jahr rehabilitiert: Der vierfache
Weltmeister liegt zum Ende des Jahrtausends an der Spitze des FIFA-
Rankings. Zum siebten Mal in Serie. Gefolgt von Europameister
Frankreich und von ... Argentinien, einem weiteren Team aus
Südamerika.
Angesichts dieser Titelhamsterei verwundert es nicht, dass auch
die wichtigste Auszeichnung für Einzelspieler an Südamerika ging.
Pele (Br) und Maradona (Arg) mussten den Titel als bester Spieler
des letzten Jahrhunderts teilen, weil sich Fachleute und Fans nicht
auf einen Sieger einigen konnten. Europäer standen nie zur
Diskussion. Immerhin blieb diesen der Titel des Weltfussballers des
Jahres (Zinedine Zidane), nachdem auch diese Auszeichnung ein Jahr
zuvor an einen Südamerikaner (Rivaldo) gegangen war.
Doch all diese Erfolge vermochten wenig an der Geringschätzung
Südamerikas durch Europa zu ändern. Auf der anderen Seite des
Atlantiks ärgert man sich nämlich zutiefst, dass Juan Roman
Riquelme von den Boca Juniors oder Romario von Vasco da Gama nicht
einmal in die Nähe einer Nomination als Weltfussballer des Jahres
gerückt wurden. Trotz Bocas Sieg im Intercontinental-Cup und
Romarios sagenhafter Saison mit 65 erzielten Toren für seinen
brasilianischen Verein.
Aber eben: Letztes Jahr interessierte einzig und allein die
Europameisterschaft in Belgien und Holland. Daran hat sich auch
Südamerika zu halten...
(sda)