Behrami und die Frage der Wahrnehmung

publiziert: Dienstag, 27. Mai 2008 / 00:00 Uhr

Im gefühlten Sympathie-Ranking der nationalen Öffentlichkeit sind (noch) viele andere Schweizer EM-Kandidaten vor Valon Behrami (23) klassiert. Der eingebürgerte Tessiner hat in diverser Hinsicht einen schwierigen Weg hinter sich. Behrami bewegt -- die Gemüter, sich selber und die SFV-Gruppe.

Vier Jahre nach seiner Einbürgerung nahm Valon Behrami das Angebot in der Nati mitzuspielen an.
Vier Jahre nach seiner Einbürgerung nahm Valon Behrami das Angebot in der Nati mitzuspielen an.
Tagelang beschäftigte sich die Schweizer Fussball-Gemeinde mit der so genannten «Flucht» von Patrick Müller, der sich gegen den Willen Lyons aus Frankreich abgesetzt hatte. Anfang der Neunzigerjahre ist ein anderer Nationalspieler geflüchtet.

Valon Behrami floh nicht aus sportlichen Gründen, ihn trieb der Krieg auf dem Balkan weg. Zusammen mit der Familie verliess er das verwüstete Krisengebiet Kosovo als Fünfjähriger.

Am Ziel der beschwerlichen Reise ins Ungewisse stand das Tessiner Dorf Stabio. Für die Immigranten interessierte sich ausser den Behörden niemand. Der Empfang war nicht herzlich, eher schroff. Fotografen warteten keine. Mehrfach wurde über die Abschiebung der Behramis diskutiert.

Respekt mit der Kugel am Fuss

Die Unsicherheit war ein ständiger Begleiter der Kosovaren. Valon Behrami passte sich den schwierigen Umständen an. Im Sport fand er das Umfeld, positive Lebensenergie zu schöpfen.

In der Leichtathletik fühlte sich Behrami wohl, erst Jahre später, als Oberstufen-Schüler, entdeckte er die Passion für den Fussball. Vom Ball mochte er sich nicht mehr trennen, mit der Kugel am Fuss begegneten ihm auch die Argwöhnischen respektvoll.

Der FC Lugano übernahm das grosse Talent ohne Zögern, versank wenige Monate später aber im finanziellen Schlamassel; die sportliche Abzweigung führte ihn in die Serie B zu Genua und Hellas Verona.

Neue Heimat in Rom

2005 - 15 Jahre nach dem Zwangsabschied aus seinem Geburtsland - fand der aufstrebende Sportler wieder eine neue Heimat. Viele Umwege führten ihn nach Rom. Lazio stattete den polyvalenten Mittelfeldspieler mit einem Fünfjahresvertrag aus.

Im Land des Weltmeisters fühlte er sich ohne Verzögerung wohl. Sprachbarrieren gab es nicht, Berührungsängste existierten keine. Behrami fand seine Rolle. Die Tifoseria nimmt den «Svizzero» ernst.

Als Köbi Kuhn den Lazio-Professional im Oktober seiner ersten Serie-A-Saison für das WM-Barrage-Hinspiel gegen die Türkei nominierte, nahm Behrami das Schweizer Angebot vier Jahre nach seiner Einbürgerung an.

Etwas zurückgeben

Er wolle dem Land, «das mein Leben verändert hat», etwas zurückgeben. Seine Wurzeln hat und wird der «Internationale» nie vergessen. Auf seiner Wade ist das albanische Wappentier tätowiert.

Verstellen mag sich Behrami auch im Kreis der Nationalmannschaft nicht. Er bewegt sich leger. Seine Sonnenbrille ist grösser als jene von Thomas Häberli. Die Frisur ist so wild wie sein Stil auf dem Platz.

Eine Diva?

Behrami wird unterstellt, er benehme sich zuweilen wie eine Diva, sei nicht integriert. «Ich, eine Diva? Weshalb denn?» spielt er den Ball an einem Medientermin zurück. «In Rom verhalte ich mich gleich. Aber niemand stört sich daran. Hier wurde ein Bild konstruiert.»

Stephan Lichtsteiner, der die letzten beiden Spiele zusammen mit Behrami im rechten Couloir bestritt, mag ob der Kommentare über seinen Teamkollegen nur den Kopf schütteln: «Valon ist ein hervorragender Spieler. Ich mag ihn auch als Person. Er ist ein sympathischer Typ und immer sehr korrekt.»

Die Aufregung um seine Person ist für ihn kaum nachvollziehbar. Stromlinienförmigkeit sei im Übrigen keine Voraussetzung, um Teil der Mannschaft zu sein.

Das klärende Gespräch mit Kuhn

Vieles ist offenbar eine Frage der Wahrnehmung -- und «der Missverständnisse», wie Behrami selber festgestellt hat. Begonnen hat die Geschichte an sich vorzüglich. In seinen ersten fünf Minuten im Nationalteam schoss er gegen die Türken gleich das eminent wichtige 2:0.

«Vielleicht klingt es komisch, aber dieses Tor war nicht nur gut», schweift Behrami in der Analyse seiner Akklimatisierungsprobleme weit zurück. «Es ging alles zu schnell. Man kannte mich ja gar nicht richtig.»

Die Erwartungshaltung korrespondierte nicht mehr mit der Realität. Die fünf ersten Minuten des Debütanten wurden überbewertet. «Dabei war ich doch kein Stern, sondern nur ein normaler Spieler.» Dem Hoch ohne Prognose folgte im Nationalteam eine längere Tiefdruckperiode.

Gegenseitige Skepsis

Die körperlichen Beschwerden liessen keine Konstanz zu, die Fehler im SFV-Shirt häuften sich. Und die Kritiker erkannten hinter jeder Geste und Aussage Behramis die bösartige Absicht, Unruhe in die Gruppe zu tragen. Gegenseitige Skepsis breitete sich aus.

Zuweilen wirkte Behrami auf dem Feld tatsächlich wie ein Fremdkörper. Experten wunderten sich über die Schwankungen seiner Leistungen. Bei Lazio war er ausnahmslos unbestritten, im Nationalteam hingegen reihte der 23-Jährige einen Stellungsfehler an den nächsten Fehlpass. Am vergangenen Samstag hingegen war Behrami im positiven Sinne nicht mehr zu erkennen. Beim 2:0 gegen die Slowaken schoss er den ersten Treffer selber, den zweiten bereitete er vor.

Vom unverstandenen Römer Joker zum Platz in der EM-Startformation?

Auszuschliessen ist nach Behramis übzeugendster Halbzeit nichts. Kuhn setzte diesbezüglich wichtige Zeichen. Vor rund vier Wochen traf er Behrami in Rom. Ihm ersten längeren Gespräch seit dem Debüt gegen die Türken klärten die beiden diverse Ungereimtheiten.

«Es war für beide sehr hilfreich. Ich denke, wir haben uns besser kennen gelernt. Ich weiss nun, was Kuhn will. Das stärkt mein Vertrauen. Er weiss mehr über mich», stuft Behrami das Treffen als wegweisend ein.

(Sven Schoch, Lugano/Si)

 
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