Sieg in der Schlussphase verschenkt
1:1 in Albanien: Kann oder darf man mit diesem Ergebnis zufrieden sein? Die Ansichten im Schweizer Team am Morgen nach dem Spiel klafften deutlich auseinander. Während sich Nationalcoach Köbi Kuhn mit dem Punkt zufrieden gab und von einem gewonnenen Zähler sprach, waren Captain Jörg Stiel und Abwehrchef Murat Yakin anderer Meinung. Sie hätten klar zwei Punkte verloren, meinten die beiden Teamleader und hofften, dass sich das im späteren Verlauf der Ausscheidungsphase nicht rächen wird.
Zwei Punkte verloren
Zwei Punkte beim Aussenseiter der Gruppe verloren zu haben, könnte sich für die Schweizer in der Endabrechnung der Qualifikation für die EM-Endrunde 2004 in Portugal bitter rächen, wenn der weitere Verlauf nicht wunschgemäss verläuft. Momentan liege man im Fahrplan, rechnet Kuhn vor. Nur mit Heimsiegen gelange man nicht an die EM, es müssten auch Auswärtspunkte gewonnen werden. Und einen habe man in Tirana geholt. Wenn am Mittwoch in Dublin ein weiterer Zähler hinzukomme, sei er mit dem Zwischenstand nach drei Runden zufrieden.
Ärgerlich waren am Samstagabend im Qemal-Stafa-Stadion, das durch fanatische und aggressive Fans in einen Hexenkessel verwandelt worden war, drei Dinge: Die Schweizer hatten es unmittelbar nach der Pause bei drei grossen Möglichkeiten von Alex Frei (50.), Ricardo Cabanas (52.) und nochmals Frei (57.) verpasst, den Sack zuzumachen. Ein 0:2 hätten die zwar kämpferisch und athletisch überlegenen Albaner nicht mehr wettmachen können.
Unverständlich war, dass das Schweizer Team sich nach dieser starken Mittelphase in die eigene Abwehr zurückdrängen liess. Die Bälle konnten im Mittelfeld nicht mehr gehalten werden, und die Abwehr geriet dadurch immer stärker unter Druck. Die Ersetzung von Hakan Yakin durch Fabio Celestini (64.) war angesichts dieser negativen Entwicklung zwar verständlich, sie erzielte jedoch eine kontraproduktive Wirkung. Ab sofort hing der Angriff völlig in der Luft.
Haltbarer Ausgleichstreffer
Der Ausgleichstreffer für die Einheimischen mittels haltbarem Freistoss aus über 25 Metern fiel dann in eine Phase, als die Schweizer den Vorsprung über die Distanz zu bringen schienen. Der Druck der Albaner war zwar noch immer gross, unter der Regie des herausragenden Murat Yakin gab es jedoch kaum gefährliche Szenen vor dem bis dahin fehlerlosen Jörg Stiel. Beim Freistoss des Griechenland-Söldners Murati spekulierte die gesamte Schweizer Mannschaft auf eine hohe Flanke vor das Tor. Dadurch stand die Mauer falsch, und Stiel stand zu nahe beim hinteren Pfosten. Der tückische Aufsetzer zischte an der Zweimann-Mauer vorbei und erwischte Stiel in der vorderen Ecke. "Ich habe mich verschätzt. Es ist mein Fehler. Offensichtlich kann man auch als 34-Jähriger noch viel lernen", sagte Stiel am anderen Morgen nach einer nahezu schlaflosen Nacht.
Wie gegen Georgien war die Schweiz die Partie zu verhalten angegangen und hatte erst nach rund 25 Minuten ins Spiel gefunden. Albanien erzeugte bei starkem Dauerregen und entsprechend tiefem Terrain zu Beginn starken Druck und zog ein aggressives Pressing auf. Die beste Schweizer Phase wurde nach einer halben Stunde durch Hakan Yakin eingeleitet: Ein Freistossball des Baslers aus 30 Metern prallte von der Lattenunterkante vor die Torlinie. Acht Minuten später zog Hakan Yakin einen Corner weit hinüber auf den Kopf von Chapuisat. Frei lenkte die Vorlage seines Stürmerkollegen Richtung Tor, wo der Ball auf der Linie von einem Verteidiger mit der Hand abgeblockt wurde. Frei: "Der Schiedsrichter hätte Penalty pfeifen und den Albaner vom Platz stellen müssen." Glücklicherweise konnte Murat Yakin alle Diskussionen mit einem wuchtigen Schuss unter das Netzdach mit dem 1:0 beenden.
Die besten Noten in einer durchschnittlichen Schweizer Mannschaft verdienten sich in Tirana die beiden Innenverteidiger Murat Yakin und Patrick Müller, der den verletzten Stéphane Henchoz hervorragend ersetzte. Kämpferisch hervorragend, aber mit zu wenig Einfluss auf das Spiel war Ricardo Cabanas, während Johann Vogel einmal mehr sehr diskret blieb. Als ausgezeichneter Vorbereiter fiel erneut Stéphane Chapuisat auf, der die drei Chancen von Frei und Cabanas nach der Pause mit präzisen Zuspielen einleitete.
(René Baumann/sda)