Der akuteste Fall im gewichtigen Pendenzen-Berg der Schweizer Topliga wird wohl demnächst vor einem Luzerner Konkursrichter entschieden. Über eine Woche nach der auf zehn Tage angesetzten Frist hat Luzerns Präsident Jules Häfliger erst einen Bruchteil jener zwei Millionen Franken beisammen, die er für die Durchführung eines gerichtlichen Nachlasses benötigt. Geschieht in den nächsten Tagen kein ähnliches Wunder wie 1999, als über ein Wochenende vier Millionen Franken aufgetrieben werden konnten, dann verschwindet der heuer 100-jährige FC Luzern für immer von der Bildfläche. Dann wäre in der Innerschweizer Metropole nach dem Schlittschuhclub und dem Handballclub Borba innert weniger Jahre der dritte bedeutende Sportverein Konkurs gegangen, ohne dass die Politiker eingegriffen hätten.
Was passiert, wenn der FCL in einer Woche die Bücher deponieren muss, wollte bei der Nationalliga gestern Montag niemand kommentieren. Vorerst will sich die Lizenzkommission bis am Donnerstag ein genaues Bild der Situation verschaffen. Es zeichnen sich verschiedene Szenarien ab: Entweder wird Luzerns Platz in der Auf-/Abstiegsrunde überhaupt nicht belegt oder dann durch den NLB-Fünften Yverdon eingenommen. Eher unwahrscheinlich ist die Variante, dass die Nationalliga analog dem Fall Wettingen in der Saison 1991/92 den Luzerner Spielbetrieb bis nächsten Sommer auf eigene Kosten aufrecht erhält.
Mit den Finanzsorgen der Luzerner ist es aber nicht getan. Sion und Lausanne haben ebenfalls Millionen-Schulden und dürften diesen Winter Probleme bekommen, die Lohnzahlungen für das nächste halbe Jahr buchhalterisch sicherstellen zu können. Zumindest diesen beiden Klubs droht die Lizenzverweigerung für die Saison 2002/2003.
Fragwürdiges rund um den FC Sion
Der Fall Sion sorgte in diesem Herbst verschiedentlich für Diskussionen und es ist verständlich, dass Aarau-Trainer Rolf Fringer am Sonntag nach dem Fall in die Abstiegsrunde der Kragen geplatzt ist: "Sion holt von überall her Ausländer, hält die Lizenzauflagen nicht ein, zahlt den Spielern während Monaten keine Löhne, verkündet noch vor dem letzten Spiel den Verkauf mehrerer Spieler aus finanziellen Gründen und verliert die letzten drei Spieler in Serie, während wir uns an alle Auflagen gehalten haben." Wäre der 7-Punkte-Abzug für Sion aus juristischen Gründen nicht aufgehoben worden, würde Aarau nun statt Sion in der Finalrunde stehen. Diese Annullierung des Punkte-Abzug hinterlässt in der Tat einen ganz bitteren Nachgeschmack.
Negative Bilanz des GC-Präsidenten
Nachdenklich macht aber auch die Trainer-Komödie bei Schweizer Meister Grasshoppers: Meistertrainer Hans-Peter Zaugg wurde im Oktober nur gut vier Monate nach dem Titelgewinn durch seinen Präsidenten öffentlich demontiert. Obwohl danach kein Spiel mehr verloren ging, GC im Frühling mit nur drei Punkten Rückstand auf Basel in die Finalrunde steigen wird und im UEFA-Cup das Erreichen der Achtelfinals lediglich um ein Tor verpasst wurde, zeichnete Boss Peter Widmer am Sonntag eine negative Bilanz, die wohl darauf hindeutet, dass Zaugg noch diesen Monat entlassen wird. Immer und immer wieder wurde GC in den letzten Wochen mit St.-Gallen-Trainer Marcel Koller in Verbindung gebracht und auffällig wenig wurde vom Nobelklub gegen diese Gerüchte unternommen.
Zu den Pendenzen der Nationalliga gehört diesen Winter auch die Klärung der Disziplinar-Politik: Die Fälle Alexandre Comisetti, Atouba, Hakan Yakin, Michail Kawelaschwili oder Ludovic Magnin mit ausgesprochenen, annullierten, erhöhten und verringerten Sanktionen warfen ein wenig schmeichelhaftes Licht auf das aktuelle Regelwerk.
FCB vom 1:8 zum Zuschauer-Krösus
Im sportlichen Bereich zeigte sich am FC Basel auf spektakuläre Weise, wie kurz der Weg von einem Krisenklub zum heissen Titelanwärter sein kann: Im Startspiel in Sitten unterlag der FCB hoch mit 1:8 und am Sonntag beendete der gleiche FCB die Qualifikation mit fünf Punkten Vorsprung auf Lugano. Die lange Ungeschlagenheit der Basler im St.-Jakob-Park bescherte dem Schweizer Fussball auch einen fantastischen Besucher-Rekord. Erstmals seit Einführung des aktuellen Modus vor 15 Jahren strömten über 1 Million Zuschauer zu den 132 Qualifikations-Partien. Wenigstens der FCB sollte diese Saison keine finanziellen Sorgen kennen.
(news.ch)