Mit ihrem rigorosen Durchgreifen hat die Rekurskommission der
Nationalliga Anfang Juni das Erscheinungsbild der Elite
einschneidend verändert. Gleich drei namhafte Regionen (Tessin,
Wallis, Waadtland) sind in der obersten Klasse nicht mehr
vertreten. Im Falle Luganos verlor das Tessin und mit ihm die NLA
gar einen sportlich unbestrittenen Top-Klub.
Am 8. Dezember wird nach der 22. Runde letztmals im seit 1987
bewährten Modus die Spreu vom Weizen getrennt. Wegen der
beschlossenen Ligareduktion auf zehn Teams wird das erfolgreiche
Überstehen der diesjährigen Qualifikation vom Gros der Schweizer
Vereine als wichtigstes Saisonziel deklariert. Wer den Cut nicht
schafft, dem droht in der Auf-Abstiegsrunde eine längerfristige
Verbannung ins Niemandsland.
Prima vista liesse sich die am grünen Tisch «entworfene» Liga
der so genannten Übergangssaison grob in vier verschiedene
(Preis-)Klassen unterteilen:
Die Firstclass: Meister Basel, GC -- und Servette?
Verschwindend wenig spricht dagegen, dass Basel seinen
Double-Gewinn nicht mehr wiederholen könnte. Der Stamm der mit
Abstand besten Schweizer Mannschaft blieb unverändert, offensiv ist
der FCB dank dem Kauf von Luganos Topskorer Julio Hernan Rossi (21
Treffer letzte Saison) gar noch stärker einzuschätzen. Trainer
Christian Gross warnt hingegen davor, die nationalen Aufgaben zu
vernachlässigen: «Wir haben keinen Anlass dazu, irgendwelche Gegner
zu unterschätzen und überheblich zu sein. Von uns ist gar noch mehr
Bissigkeit und Kompaktheit gefordert.»
Im unmittelbaren Fahrwasser des Wirtschaftsriesen vom Rheinknie
(ca. 25 Millionen Budget) halten sich die weiterhin finanziell
ähnlich potenten Grasshoppers auf. Mit dem Support der
hochkarätigen Neuen könnte GC dem Branchenführer zumindest wieder
in den Nacken hauchen. Von den beiden robusten Südamerikanern
Antonio Barijho (Arg) und Sebastian Rozental (Chile) sowie
Aleksandar Mitreski verspricht sich Marcel Koller «Emotionen und
Leadership zugleich».
Dank dem Zuzug des gewieften Ex-Lugano-Trainers Roberto Morinini
ist nicht zum Vornherein auszuschliessen, dass UEFA-Cup-Teilnehmer
Servette dem vermeintlich ausser Reichweite operierenden Duo auf
den Puls fühlen könnte. Es sei denn, das Führungsvakuum im
finanziell nicht mehr auf französischen Rosen gebetteten Verein
führe zu einem Schlingerkurs in den finanziellen Ruin.
Die Mittelklasse: YB, FCZ, St. Gallen
Hinter diesem Trio ringen drei Teams um den Anschluss. Die
besten Karten, einen weiteren Schritt in Richtung erweiterte Spitze
zu vollziehen, halten eindeutig die deutlich verstärkten Young Boys
in den Händen. Mit dem Sturm-Duo Joël Magnin/Stéphane Chapuisat
haben die Berner den Routinegrad ihrer Equipe vervielfacht. Die
beiden Cracks sind schon fast ein Garant für mehr Treffer. Die
Verpflichtungen des Schweizer U21-Innenverteidigers Luca Denicolà
und des jungen brasilianischen Mittelfeldmotors Paulinho werden den
taktischen Spielraum für Trainer Marco Schällibaum massiv
erweitern.
Der verjüngte, gleichwohl noch immer 8 Millionen teure FC Zürich
und das in etwa gleicher Grössenordnung kalkulierende St. Gallen,
immerhin der Meister der Saison 1999/2000, sind wohl der selben
Kategorie wie YB zuzuordnen; quasi die Anwärter auf einen Platz im
Mittelfeld. FCZ-Präsident Sven Hotz zeigte sich zuversichtlich, den
«Einzug in die Finalrunde ohne Zittern» zu schaffen und wünscht
sich von seinen «jungen Wilden» gleichzeitig einen attraktiven
Offensivfussball. Etwas bescheidenere Töne gaben die St. Galler von
sich. Coach Gérard Castella muss mit kleinerem Budget mindestens
die Finalrunde erreichen, verfügt in der Abwehr mit Stefan Wolf,
den er aus gemeinsamen Servette-Zeiten kennt, nun aber wenigstens
wieder über einen Patron.
Die Arbeiterklasse: Xamax, Aarau, Luzern
In Neuenburg rühmt sich Vereinspräsident Fredy Rumo, gemessen am
Budget von rund vier Millionen mehrere geschickte Transfers
getätigt zu haben. Den zu Aarau gezogenen Alain Geiger ersetzte der
frühere Verbandspräsident mit Claude Ryf, den er zum eigentlichen
Wunschtrainer erklärt hatte. Und der frühere Xamax-Spieler stellte
mit dem leihweisen Engagement der beiden überaus talentierten
Boca-Juniors-Nachwuchsspieler Alex da Silva und Miguel Portillo
seinen Sachverstand unter Beweis; die Transfers der Gauchos hatte
Ryf übrigens vor wenigen Wochen in Zürich beim
FIFA-Bluestars-Turnier eingefädelt.
Zusammen mit Aarau, das unter der Anleitung von Alain Geiger und
in Kooperation mit dessen Bruder Nicolas einen neuen Farbanstrich
erhalten und sich mit drei Senegalesen sowie der bei guter
Entwicklung hochkarätigen GC-Leihgabe Manuel Bühler (19) verstärkt
hat, darf den Xamaxiens durchaus zugetraut werden, im Frühling im
das Konzert der Finalrunden-Tenöre vertreten zu sein -- wenn auch
nur in der zweiten Reihe.
Die Klasse der im bescheidenen, aber nicht gerade elenden Rahmen
wirtschaftenden Klubs könnte von Luzern ergänzt werden. In der
Innerschweiz sind die ärgsten Finanzsorgen offenbar vom Tisch und
der Nachlass unter Dach und Fach. Ob Peter Pfister den abtretenden
Präsidenten Jules Häfliger nun wirklich ersetzen wird, ist nach dem
Veto von Pfisters Arbeitgeber (Suva) indes mehr als fraglich. Auf
dem Rasen soll aller Turbulenzen zum Trotz eine Trendwende zum
Positiven stattgefunden haben. Ausbildner Hans-Peter Zaugg hat sich
perfekt eingelebt und könnte sich für den FCL (und seine Talente)
als wahrer Glücksfall entpuppen.
Die Letztklassierten
Wil im Besonderen und bei günstiger Fügung des Schicksals
vielleicht auch Thun sind zwar in der Lage, in ihren Kleinstadien
auch der Prominenz mehr als Respekt abzuverlangen, alles anderel
käme einer faustdicken Überraschung gleich. Und das wissen sie im
Lager der beiden einzigen sportlichen Aufsteiger auch ganz genau,
da ändern die betont positiven Ausblicke der beiden Trainer Peischl
(Wil) und Latour nichts. Im Falle Delémonts, das kaum zwei
Millionen Franken aufwendet, behauptet der Zyniker, die Jurassier
könnten sich auf A-Level dem Rhythmus einer guten B-Equipe
annähern.
(sda)