Das vierte Spiel der Gruppe A gegen den zweifachen Champions-League-Finalisten ist für die Ostschweizer der sportliche Höhepunkt seit drei Jahren. Ende 2010 stand der 1879 gegründete Traditionsverein vor dem Ruin und wurde in extremis von Privatpersonen mit einem einmaligen Kraftakt von 14,5 Millionen gerettet. Vor 18 Monaten kickte der FCSG noch in der Challenge League, jetzt hegen die Anhänger schon Ansprüche auf die Qualifikation für die Zwischenrunde in der Europa League. «Gemach, gemach. Wir wollen gesund wachsen», liess sich Klubpräsident Dölf Früh in Ostschweizer Medien vernehmen. «Wohl ist der Europacup für uns ein Geschäft im tiefen siebenstelligen Bereich. Das eingenommene Geld wird aber nicht sofort wieder ausgegeben. Es werden Reserven für schwierigere Zeiten angelegt.»
Herumschwirren verboten
Für St. Gallen könnte der Europacup-Traum schon morgen zu Ende sein. Wenn Swansea, dem man in Wales nach exzellenter Gegenwehr unglücklich 0:1 unterlag, bei Kuban Krasnodar gewinnt und Valencia in St. Gallen siegt, besitzen die Ostschweizer keine Möglichkeit mehr, sich für die Zwischenrunde zu qualifizieren. «Wenn wir aber über uns hinauswachsen und punkten, sind unsere Chancen intakt», ist St. Gallens Torhüter Daniel Lopar überzeugt. «Wenn wir kompakter stehen, besser laufen und absichern und nicht so herumschwirren wie in Valencia sind wir zu einer Überraschung fähig.» An Arbeit wird sich der Thurgauer, dessen Vertrag in St. Gallen Ende Juni 2014 ausläuft, kaum zu beklagen haben. «Hoffentlich werde ich nicht mehr so häufig beschäftigt wie in Valencia . Da erlebten wir einen Sturmlauf des Gegners. Die Spanier haben alles Supertechniker in ihren Reihen und ein breites Kader mit vielen ausgezeichneten Spielern, die alleine ein Spiel entscheiden können.»
Lopar denkt an den kopfballstarken portugiesischen Abwehrrecken Ricardo Costa sowie dessen Landsmann Helder Postiga und die Jungspunde wie Sergio Canales, der einst bei Real Madrid als der Nachwuchsstar galt, ehe zweimal seine Kreuzbänder rissen. Oder an die erst 20-jährigen Offensivkräfte Paco Alcacer und Fede Cartabia, den zweifachen Torschützen im einseitigen Hinspiel. Allerdings: Beim sechsfachen spanischen Meister kriselt es. Der französische Verteidiger Adil Rami wurde suspendiert, weil er sich öffentlich kritisch geäussert hatte. Der sportliche Direktor Braulio Vazquez wurde vor wenigen Tagen seines Amtes enthoben und der Stuhl des serbischen Trainers Miroslav Djukic wackelt, weil die Resultate und der derzeitige neunte Platz in der Primera Division nicht den hohen Erwartungen entsprechen. Nur der jüngste 1:0-Auswärtssieg am Sonntag bei Getafe (Torschütze: Pabon) beruhigte die Gemüter etwas, nachdem man gegen Villarreal 1:4 und danach daheim im Mestalla sogar gegen den Tabellenletzten Almeria 1:2 verloren hatte.
Montandon wieder fit
St. Gallen-Trainer Jeff Saibene kann mit seinem derzeit stärksten Aufgebot planen. Captain Philippe Montandon ist nach seinen muskulären Problemen, die ihn in Lausanne zum Zuschauen zwangen, wieder fit. Die Ostschweizer, die in einem kleinen Zwischentief steckten, haben sich in der nationalen Meisterschaft wieder aufgefangen und sind seit drei Partien unbesiegt. Dem 0:0 gegen Thun und dem 2:2 in Aarau folgte der 3:0-Away-Triumph in Lausanne. Die Rotation bewährte sich. Die wieder berücksichtigten Sébastien Wüthrich und Alhassane Keita (2) schossen die Tore - allerdings nach mühsamem Gekicke erst in der Schlussviertelstunde. «In Valencia hatten wir zu viel Respekt und waren eingeschüchtert. Daheim werden wir ein anders Gesicht zeigen», ist Trainer Saibene überzeugt. Vielleicht erwischt St. Gallen wieder eine Sternstunde wie gegen Spartak Moskau Ende August in den Playoffs oder wie vor 13 Jahren beim 2:0-Heimsieg gegen Chelsea im damaligen UEFA-Cup.
(ig/Si)