UEFA-Kallen: «Wir müssen besser kommunizieren»

publiziert: Freitag, 27. Jun 2008 / 11:50 Uhr / aktualisiert: Freitag, 27. Jun 2008 / 12:49 Uhr

Der EURO-Organisationschef der UEFA, Martin Kallen (44), windet der Schweiz schon vor dem Turnierende ein schönes Kränzchen: «Wir sind auf dem Weg zur besten EURO aller Zeiten.»

Kallen rechnet mit einem EM-Reingewinn von 412 Mio. Franken.
Kallen rechnet mit einem EM-Reingewinn von 412 Mio. Franken.
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Der Berner Oberländer ist sehr zufrieden mit dem bisherigen Turnierverlauf und hat auch viele positive Rückmeldungen erhalten. Kallen ist sich jedoch auch bewusst, dass die UEFA in der Schweiz ein Imageproblem hat. «Wir müssen in Zukunft besser kommunizieren», sagt Kallen.

Den Anfang dazu macht er in unserem Interview und erklärt, was mit dem an der EURO verdienten Geld passiert: «Rund 80 Prozent des Reingewinns oder zirka 300 Millionen Franken fliessen in den Fussball zurück.»

Am Sonntag geht die EURO 2008 zu Ende. Schafft sie es noch, das beste Turnier aller Zeiten zu werden oder ist sie es bereits?

Martin Kallen: Wir sind auf dem besten Weg dazu. Es muss aber bis am Sonntagabend weiterlaufen wie bisher. Der Final ist das wichtigste Spiel des Turniers mit vielen prominenten Gästen und einem Millionenpublikum am TV. Da muss einfach alles stimmen. Der letzte Eindruck ist bekanntlich jener, der bleibt. Die Feedbacks von Offiziellen, Teams und Fans sind bislang aber sehr, sehr gut.

Was hat die EURO 2008 Ihrer Ansicht nach am besten charakterisiert?

Kallen: Sowohl die Schweiz als auch Österreich haben einen sehr guten Job gemacht. Es war zum Beispiel erstaunlich, wie viele Fans in beiden Ländern den öffentlichen Verkehr benutzt haben. Diesbezüglich haben mich vor allem die Österreicher überrascht, die normalerweise lieber mit dem Auto fahren. Erwähnen will ich natürlich auch, dass es zu keinen Ausschreitungen gekommen ist.

Und wenn Sie diese EURO mit jener vor vier Jahren in Portugal vergleichen?

Kallen: Das jetzige Turnier ist grösser. Es hat auch viel mehr Fans gehabt, die aus dem Ausland angereist sind. Die Euphorie war in Portugal sicher elektrisierender. Dies hing aber natürlich auch mit der Finalteilnahme des Gastgeberlandes zusammen. Ich will damit aber nicht sagen, dass die Stimmung in der Schweiz und Österreich nicht gut war. In den Fanzonen waren über 3,5 Millionen Zuschauer. Das ist eine Zahl, die sich mit den Werten von der WM in Deutschland 2006 vergleichen lässt, wenn man Städte mit ähnlicher Grösse betrachtet.

Das Turnier in der Schweiz ist bereits zu Ende. Können Sie der Schweiz ein gutes Zeugnis ausstellen?

Kallen: Ein sehr gutes sogar. Die Zusammenarbeit mit dem Bund hat hervorragend geklappt. Die Host Cities haben ihre Gastgeberrolle bestens wahrgenommen. Egal ob Basel, Bern, Genf oder Zürich: Die Fans wurden herzlich willkommen geheissen. Zwei Drittel der Leute besuchten Fanzonen in der Schweiz, ein Drittel in Österreich. Das spricht für sich.

Was hätte man trotzdem noch besser machen können?

Kallen: Es gibt immer Verbesserungspotenzial. Wir müssen alles unternehmen, um in Zukunft leere Plätze im Stadion zu verhindern. Dies war leider in zwei Viertelfinals der Fall. Das ist ein unschönes Bild angesichts des riesigen Ansturms auf die 1,05 Millionen Tickets. Wir werden uns deshalb überlegen, den teilnehmenden Fussballverbänden künftig weniger Tickets zuzugestehen. Dass aber alle Tickets über die Uefa laufen würden, ist auch keine Lösung. Schliesslich wollen wir nicht ein ausschliesslich heterogenes Publikum, sondern auch viele Fans der spielenden Teams im Stadion. Es gilt auch, den Turnier-unerfahrenen Verbänden beim Ticketing zu helfen. Ein regelrechter Dorn im Auge war mir der Schwarzmarkt, der bei dieser EURO blühte wie nie zuvor. Das Problem ist, dass wir dagegen kaum etwas machen können. Wir haben in allen Austragungsorten Stichproben gemacht und haben auch einige Firmen, die unrechtmässig mit Tickets handelten, gebüsst. Eine Patentlösung für dieses Problem gibt es aber nicht.

Hat sich die Aufteilung auf zwei Austragungsländer bewährt?

Kallen: Es ist immer einfacher, wenn nur ein Land das Turnier austrägt. Obwohl die Schweiz und Österreich freundschaftlichen Austausch pflegen, hat man bisweilen schon das Gefühl gehabt, dass zwei EUROs nebeneinander stattfinden. Das Modell mit zwei Gastgebern erlaubt aber kleineren Fussballverbänden, überhaupt ein solches Turnier durchführen zu können. Sonst kann die EURO künftig nur noch in etwa fünf Ländern stattfinden.

Trotz der erfreulichen EURO hat die UEFA in der Bevölkerung ein Image-Problem. Verstehen Sie, dass sich viele Leute an gewissen Regulierungen stören und die UEFA als Abzockerin sehen?

Kallen: Wir sind uns dieses Problems sehr bewusst. Weil die UEFA ihren Sitz in der Schweiz hat, ist die Kritik in der Bevölkerung hier besonders laut. In Österreich ist die Diskussion nicht so hitzig verlaufen. Wir werden noch besser kommunizieren müssen, warum gewisse Regeln gelten. Es ist eine Gratwanderung, wie weit man im Marketing gehen will. Wir müssen diese Situation nach dem Turnier aber auf jeden Fall neu beurteilen.

Vielleicht muss man den Leuten aufzeigen, was die UEFA mit dem Geld macht, das sie mit der EURO erwirtschaftet?

Kallen: Die Organisation der EURO kostet heute eine Milliarde Franken. Wir rechnen mit einem Reingewinn von 412 Millionen. 70 bis 80 Prozent davon werden wir in den nächsten vier Jahren wieder in den Fussball investieren. Von den Zahlen her ist das sicher eine grosse Summe. Man muss gleichzeitig herausstreichen, dass ein Land wie die Schweiz von einem solchen Ereignis profitiert. Natürlich kann man sich fragen, warum die UEFA die 65 Millionen Franken an Sicherheitskosten, die der Schweizer Steuerzahler berappen muss, nicht bezahlt hat. Bei der Ausschreibung des Turniers war dies jedoch bereits klar geregelt. Sonst hätten die beiden Länder das Turnier gar nicht erhalten. Dafür bei der Bevölkerung im Nachhinein Verständnis zu wecken, ist aber schwierig. Das wissen wir. Wir sind uns deshalb im Klaren, dass wir ein gewisses Mass an Kritik einfach einstecken müssen.

Wie haben Sie das Turnier bisher erlebt und wie viele Spiele haben Sie live im Stadion mitverfolgt?

Kallen: Mit dem Final werden es 23 der 31 Spiele sein.

Und das persönliche Highlight?

Kallen: Neben der Arbeit der Volunteers hat mich der Besuch der holländischen Fans in Bern am meisten beeindruckt. Sportlich haben mir die Holländer und die Russen gefallen.

Werden Sie Ihren Job als EURO-Chef der UEFA auch bei der EURO 2012 in Polen und der Ukraine ausüben?

Kallen: Diese Frage musste ja kommen. Dazu möchte ich aber im Moment noch nichts sagen. Lassen Sie mich zuerst einmal den Final abwarten.

Wer wird Europameister?

Kallen: Ich habe immer gesagt Deutschland. Und jetzt bleibe ich erst recht dabei.

(von René Baumann und Martin Zehnder/Si)

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