Die düstere Vergangenheit des Final-Stadions

publiziert: Samstag, 28. Jun 2008 / 17:27 Uhr

Das Stadion des EM-Finals in Wien, das 1992 von Praterstadion in Ernst-Happel-Stadion umbenannt wurde, hat eine dunkle Vergangenheit. Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde es als Sammelstelle zur Deportation von Juden missbraucht.

Das Stadion des EM-Finals in Wien hat eine dunkle Vergangenheit.
Das Stadion des EM-Finals in Wien hat eine dunkle Vergangenheit.
Wenn die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntag beim Final der EURO zwischen Deutschland und Spanien ihren Platz auf der Ehrentribüne einnehmen wird, könnte ihr eine schwarze Tafel auffallen. Hinter dem unscheinbaren Marmorbrett verbirgt sich eines der dunkelsten Kapitel der österreichischen Geschichte.

Nach der Eröffnung 1931 war das Stadion zunächst die uneinnehmbare Festung des österreichischen «Wunderteams», ehe es die Nationalsozialisten nach dem «Anschluss» zur Kaserne und später zum Gefängnis umfunktionierten. Im September 1939 wurden dort über 1000 Wiener Juden drei Wochen lang inhaftiert - und schliesslich in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert.

«Fast alle diese Menschen wurden ermordet», sagt der Historiker David Forster über das Schicksal der Inhaftierten im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (sid). Der Hobby-Journalist, der für das Magazin «ballesterer» über «Fussball unterm Hakenkreuz» schreibt, ist Initiator der Tafel. Ihm ist es zu verdanken, dass der Getöteten nach Jahrzehnten des Schweigens wieder gedacht wird.

«Seit meiner Kindheit bin ich ungezählte Male hierher gekommen, doch ich wusste lange nicht, dass 1939 Juden im Sektor B inhaftiert waren», sagt Forster. Heute weiss er, dass das Stadion «Station auf dem Weg in die Hölle des Konzentrationslagersystems» war.

«Juden Wiener Stadion 1939»

Kolleginnen vom Wiener Naturhistorischen Museum machten Forster 2002 auf die Geschichte aufmerksam. Sie hatten in den Beständen des Hauses menschliche Gipsmasken, Fotografien und Messbögen mit der Aufschrift «Juden Wiener Stadion 1939» gefunden. 440 Gefangene waren unter der Leitung von Josef Wastl, dem Kustos der anthropologischen Abteilung des Museums, «rassenkundlich» untersucht worden.

Einer von ihnen war Gershon Evan. In seiner Biographie «Winds of Life» schildert er eindrucksvoll die brutale Vorgehensweise der Nazi-Schergen, die den damals 16-Jährigen und dessen Vater zunächst ins Rossauer Gefängnis der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) und dann ins Stadion brachten. «Ich war zu schockiert, um mich zu bewegen», schreibt er über die «sadistischen Spielchen» der Aufseher.

Wie viele Juden die Gestapo 1939 ins Happel-Stadion zerrte, ist nicht mehr exakt festzustellen. Forster sagt: «Nach der Haftzeit im Stadion wurden 1038 Gefangene ins KZ deportiert, von denen man 44 wieder entliess. Nur 26 erlebten im Jahre 1945 die Befreiung.» Unter ihnen war auch Gershon Evan.

Angst vor den Buchstaben «KZ»

Die Haftbedingungen seien nicht mit dem späteren Martyrium in den Lagern vergleichbar gewesen, berichtet Evan, «es gab keine SS». Und auch wenn die Wachmannschaften der Polizei «manchmal ziemlich grob» waren, habe man sich eingewöhnt. Doch da war die Ungewissheit, die Angst vor den Buchstaben «KZ». «Das war das Schlimmste», sagte Evan, als er im Mai 2003 nach Wien zurückkehrte.

Natürlich begrüsste er das Anbringen der Tafel im Sektor B, «die Leute sollten davon erfahren», sagte er. Die Stadt Wien sieht das - nach zunächst zähen Verhandlungen mit Forster - endlich auch so.

«Für all jene, die ins Ernst-Happel-Stadion gehen, soll es nachvollziehbar sein, dass das nicht nur ein Ort des Fussballs und der Rolling Stones ist, sondern damals auch ein Ort des Grauens war», sagt die Grüne Gemeinderätin Marie Ringler.

(smw/Si)

 
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