Die Finalpaarung der 17. Weltmeisterschaft in Südkorea und Japan
beinhaltete alle Fazetten dieses ersten Turniers im neuen
Jahrtausend, das erstmals in Asien und mit zwei Gastgebern
durchgeführt wurde. Die Dramaturgie der Partie widerspiegelte den
sportlichen Verlauf des ganzen Anlasses in treffender Weise. Der
beste Torhüter wurde zur tragischen Figur, während der Pechvogel
des letzten Finals zum schillernden Star avancierte.
Das finale Aufeinandertreffens der beiden erfolgreichsten
Mannschaften der 72-jährigen WM-Geschichte kam trotz deren Erfolge
in der Vergangenheit unerwartet und stand dadurch stellvertretend
für die zahlreichen Überraschungen an diesem aussergewöhnlichen
Anlass.
Beginnend mit dem Startflop von Titelverteidiger Frankreich
gegen WM-Debütant Senegal, weitergehend mit dem frühen Ausscheiden
der beiden Turnier-Topfavoriten Frankreich und Argentinien, war
diese WM geprägt von Sensationen bis und mit der zweitletzten
Paarung im Spiel um Platz 3 zwischen Südkorea und der Türkei.
Dazwischen lag das vorzeitige Out von Portugal, Italien und
Spanien, die alle am sensationellen Gastgeber und Aussenseiter
Südkorea scheiterten. Die «Roten Teufel» lösten im zweigeteilten
Land in Asien eine noch nie erlebte Fussball-Euphorie aus und waren
verantwortlich für die erste Halbfinal-Qualifikation einer
asiatischen Mannschaft.
Im Zusammenhang mit dem Siegeszug von Südkorea müssen aber auch
die ungenügenden Leistungen einiger Schieds- und Linienrichter
angesprochen werden, die sich vor allem in den Partien des
Gastgebers häuften und für das frühe Auscheiden von Italien und
Spanien mitverantwortlich waren.
Die Schiedsrichter-Diskussionen nahmen bei dieser WM teils
groteske Formen an, sie dürften jedoch kaum wesentliche Neuerungen
herbeiführen. Wahrscheinlich ist lediglich, dass in Zukunft
eingespielte SR-Teams, die nicht mehr aus 36 verschiedenen Ländern
stammen, selektioniert werden. Sicher ist gemäss FIFA-Präsident
Joseph Blatter, dass während seiner Amtszeit keine elektronischen
Hilfsmittel wie Video-Aufzeichnungen beigezogen werden.
Ein Negativum des gestern nach vier Wochen zu Ende gegangenen
Marathon-Turniers waren die endlosen Probleme um Eintrittskarten.
Obwohl im WM-Vorfeld von der FIFA versprochen worden war, dass die
in Frankreich erlebten Schwierigkeiten gelöst seien, haben sich die
Probleme in Asien noch verschärft. Überhöhte Preise in Südkorea,
leere Plätze zu Tausenden in als ausverkauft gemeldeten Stadien in
Japan zeigten auf, dass man die Angelegenheit alles andere als im
Griff hat.
Wohltuend und in höchstem Masse erfreulich war dafür die
Sicherheit in allen 20 Spielorten der beiden Länder. Keine
Hooligans, keine Schlägereien, keine Ausschreitungen oder
Sachbeschädigungen: Die Behörden von Südkorea und Japan hatten
alles im Griff. Ruhig und diskret wurden die Spiele kontrolliert
und überwacht. Skandalöse und tragische Vorfälle, wie man sie in
Frankreich und Italien vor vier und zwölf Jahren erlebte, kamen
glücklicherweise nicht vor. Zu hoffen ist, dass dieser Frieden auch
auf das nächste Turnier 2006 in Deutschland abfärbt.
Einmalig und sensationell waren die Prachtsstadien in den beiden
Austragungsländern. Auch sie dürften mitverantwortlich gewesen sein
für die problemlose Durchführung dieser WM. Allerdings muss hinter
dem finanziellen Aufwand für die Erstellung dieser Top-Arenen ein
grosses Fragezeichen gesetzt werden. Was geschieht mit den Stadien
nach dem gestrigen Finaltag in zwei Ländern, wo Fussball nicht an
erster Stelle der Sportarten steht? In einzelnen Städten, wo es
noch nicht einmal Profimannschaften gibt.
Im sportlichen Bereich war das Zusammenrücken der verschiedenen
Kontinente feststellbar. Erstmals überhaupt stellten alle fünf
teilnehmenden Konföderationen (Europa, Südamerika, Afrika, Asien
und Nord-/Mittelamerika) mindestens eine Mannschaft in den
Viertelfinals. Noch vor acht Jahren in den USA waren die acht
Plätze auf Europa (7) und Südamerika (Brasilien) verteilt gewesen.
Europa hat innert acht Jahren massiv an Terrain eingebüsst, was
sich in ferner Zukunft auf dessen Anzahl Startplätze auswirken
könnte. Ozeanien und Asien haben ihre Anwartschaft auf mehr
Teilnehmer deutlich angemeldet. Sicher ist schon jetzt, dass
Ozeanien im Jahre 2006 erstmals einen sicheren Startplatz erhalten
wird.
Dieser geht allerdings vorderhand auf Kosten des Weltmeisters,
der die Qualifikation für die nächste WM in Deutschland ebenfalls
bestreiten muss. Ein weiterer Startplatz wird zudem frei, weil in
vier Jahren nur ein Gastgeber gesetzt ist. Europa dürfte also noch
einmal vor einer Streichung verschont bleiben. In erster Linie aber
nur deshalb, weil das nächste Turnier in Europa stattfindet. So
gesehen war die Wahl Deutschlands für 2006 auch in dieser Hinsicht
ein weiser Entscheid des FIFA-Kongresses.
(eh/sda)