Was Markus Frei mit seinen Schützlingen erreicht hat, ist das
erste ersichtliche Resultat des seit 1995 funktionierenden
Nachwuchskonzepts. Das Ziel, irgendwann mit einer Mannschaft eine
Medaille zu gewinnen, hat der Verband nun früher erreicht als
erwartet. Die anderen Verbände unternehmen aber ebenfalls grosse
Anstrengungen: Der Deutsche Fussball-Bund hat pro Jahr 15 Mio.
Franken für den Nachwuchs gesprochen, in England wurde eine
Vielzahl neuer Ausbildungszentren eröffnet.
Frei hatte eine glückliche Hand im Coaching. Der Frauenfeldner
begann das Turnier gegen die Ukraine nicht mit der Idealformation,
wie sich später herausstellte. Trotzdem gewann seine Mannschaft
3:1, allerdings nicht ohne Glück. Selbstvertrauen verlieh die
frühzeitige 2:0-Führung nach fünf Minuten. Frei erkannte die
Schwierigkeiten und stellte das gewohnte 4-4-2-System in ein 4-5-1
un. Er zog den FCZ-ler Sandro Burki ins Mittelfeld zurück. Mit
Ausnahme Georgiens im Viertelfinal (3:0) hatte der Gegner jeweils
mehr vom Spiel; die Tore schossen aber die Schweizer.
Spiele wie in Trance
Beharrlich wechselte Frei jeweils die Aufstellung vor und
während dem Match. Nur die Abwehr liess er unverändert. Tranquillo
Barnetta, Henri Siqueira, Philippe Senderos und Arnaud Bühler
bildeten ausser im Gruppenspiel gegen Frankreich die überragende
Viererkette. Sie war der eigentliche Erfolgsgarant. Nach dem Sieg
gegen Portugal spielte die Schweiz wie in Trance -- nicht immer
schön, aber effizient. «Wir nutzten die positive Energie optimal
aus», umschrieb Frei die Eigendynamik.
Der 85er-Jahrgang ist quantitativ und qualitativ
überdurchschnittlich. Die Absicht, jährlich drei Spieler ins
A-Nationalteam und drei weitere in die NLA zu bringen, wird der
Verband -- so weit dies zum jetztigen Zeitpunkt abschätzbar ist --
übertreffen. Noch nie standen in einer SFV-Auswahl vier physisch so
weit entwickelte Spieler wie Senderos, Slavisa Dugic, Marco
Schneuwly und Burki.
Wie viel Steigerungspotenzial hat diese Equipe noch? «In dieser
Zusammensetzung nur noch wenig. Einige Einbürgerungsverfahren von
Spielern, die uns auf den weniger stark besetzten Positionen im
Zentrum helfen können, laufen noch», umreisst Frei die Zukunft
seines Teams. «Im Mittelfeld fehlt uns die Klasse», drückte er sich
nach dem Ukraine-Spiel drastisch aus. Eine Formulierung, die es
später leicht zu relativieren galt.
Ob sich Johan Vonlanthen (YB) und Luis Frangao (GC), die nach
längerer Zugehörigkeit zum Team auf einen Einsatz in Dänemark
verzichteten, um ihre Spielberechtigung für Kolumbien und Portugal
zu behalten, nicht reuig sind?
Unterschiedlichste Herkunft
Neun Spieler verfügen über eine zweite Staatsbürgerschaft oder
könnten eine solche beantragen, weil ihre Eltern aus andern Ländern
stammen. Das Spektrum reicht von den USA, Brasilien, Frankreich,
Italien, Spanien bis Jugoslawien und Bosnien-Herzegowina. Trotz
unterschiedlichster Herkunft war die Solidarität und Disziplin
gross. Anstand, Selbstvertrauen und mentale Stärke zeichneten das
Team aus. Mentaltrainer Ruedi Zahner leistete ganze Arbeit.
Dieser Jahrgang wird unser Land im Januar am Meridian Cup in
Ägypten sowie in zwei Jahren an der U19-EM vor eigenem Publikum
vertreten. Nach diesem Triumph ist der bisherige Assistenzcoach
Pierre-André Schürmann, der das Team im Herbst übernehmen wird,
gefordert. Die «Postformation» der Spieler, der Umgang mit dem
Erfolg in den Klubs und den Medien sowie die richtige Planung der
Karriere werden für die Zukunft entscheidend sein.
2008, wenn die EM-Endrunde hoffentlich in Österreich und der
Schweiz stattfindet, stehen Senderos, Schneuwly, Burki und Co. mit
23 Jahren vielleicht vor dem Höhepunkt ihrer Laufbahn.
(Peter Leuenberger aus Dänemark/sda)